Berdorf Wanterbach Klettern
© Pancake! Photographie

Outdoors Passion Leidenschaft für steile Wände

3 Minuten und 30 Sekunden

Hart am Limit

Die Luxemburgerin Annick Goerens will hoch hinaus. Ob Boulderplätze oder Felsen im Müllerthal: Keine Wand ist vor ihr sicher. Sie klettert einfach für ihr Leben gern.  Und das mit Biss und Anspruch.

„Rope! Seil kommt!“, brüllt Annick. Die junge, sehnig-muskulöse Frau baumelt ganz oben am Felsen in Berdorf. Ihre Stimme hallt durch den kühlen, feuchten Morgen im Müllerthal. Bäume ragen ebenso hoch wie der markante Stein, an dem sie buchstäblich in den Seilen hängt. Eines davon wirft sie nun herunter, gleich wird sie sich selbst abseilen. Unten steht ihr Kletterpartner Joe Haux, tritt lässig zur Seite, als das Seil fällt, und räumt es dann ordentlich weg. Die beiden sind ein eingespieltes Team.

Diese starke Frau ist energiegeladen. Manchmal sieht man beim Klettern die Tätowierung, die sie am linken Unterarm trägt: eine stilisierte Berglandschaft, über der ein voller Mond steht. Umschlossen von einer Windrose mit den vier Himmelsrichtungen. Das Tattoo einer Outdoor-Abenteurerin.

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Eine Frau, zwei Gesichter

Sieht man sie als Moderatorin vor der Kamera – im gedeckten Hosenanzug oder Blazer –, wie sie ernst, eloquent und professionell ihren Job macht, ahnt man nicht, was in ihr steckt. Ein schlummernder Vulkan. Kein Tattoo, keine Motorradstiefel (sie fährt mit einem schweren Motorrad durchs Großherzogtum!), keine Erde unter den Fingernägeln sind zu entdecken. Die Welt im Studio: aufgeräumt, kontrolliert. Konzentrierte Arbeitsatmosphäre. Die Welt draußen: ein gigantischer Spielplatz mit immer neuen – körperlichen – Herausforderungen. Dr. Annick und Mrs. Goerens.

Annick grinst, als sie sich entlang der markanten, dunkelgrauen Gesteinsschichten abseilt. 13 Karabiner zum Einhaken in die Bolts – so heißen die in der Felswand fest platzierten Ösen – baumeln an ihrem Gürtel. „13 ist wohl eher eine Glückszahl!“, sagt Annick und knufft Joe in die Seite.

Berdorf Wanterbach Klettern
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Geliebte Herausforderung

Die heutige Kletterroute heißt „Vatertag“. Jede Tour hier am Felsen ist kartiert und hat einen bestimmten Namen, und jede ist eine andere Herausforderung. Und Herausforderungen, das ist es, was Annick Goerens beim Klettern sucht, findet und liebt. Die Journalistin ist viel im Land und mit Menschen unterwegs, und sie mag es, neue Dinge zu lernen, zu entdecken, zu erobern. „Ich eigne mir gerne  alles systematisch an und bin streng mit mir selbst. Ich will es einfach perfekt machen!“, sagt Annick. „Aber natürlich trotzdem mit Spaß.“Joe Haux, der bei der Polizei arbeitet, hat sie vor knapp 13 Jahren beruflich, im Rahmen eines Interviews, kennengelernt. Der war damals schon ein passionierter Kletterer, und mit seiner Begeisterung hat er Annick dann angesteckt.

„Sie hat echt schnell gelernt, ist absolut ehrgeizig und eine super Kletterpartnerin!“, bekräftigt der dunkelhaarige Mann, der draußen am liebsten ein knalliges Orange trägt; eine Farbe, die gut zu sehen ist und gute Laune bringt.

„Der Felsen hier ist zum Lernen und zum Sportklettern ideal. Ich gehe gern auch mal allein nach der Arbeit hierher, das entspannt“, erzählt Annick. Mit Joe zusammen war sie aber auch schon in den Alpen oder den Dolomiten in der Wand. „Das ist nochmal was anderes, da musst Du die Klemmkeile selbst in den Stein setzen, das erfordert noch mal mehr Konzentration. Man muss das Gestein kennen und einschätzen, muss seinen Weg selbst finden.“

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Jede Tour ein Puzzle

Mittlerweile sind in Berdorf ein paar weitere Kletterer dazugekommen und suchen sich ihre Strecken an der Wand. Manchmal wird es am Wochenende ganz schön trubelig hier, denn schließlich befindet man sich im Müllerthal inmitten eines berühmten Wanderparadieses; das ist Annick dann ein bisschen zu viel, obwohl sie als frühere Sport-Animateurin auf Campingplätzen durchaus Gruppen und Gemeinschaft mag. Doch mindestens genauso wichtig sind ihr Ruhe und Kontemplation. Zum Glück gibt ja auch noch andere Kletter-Spots zum Ausweichen. Und auch noch andere Arten des Kletterns. Bouldern zum Beispiel.

Beim Bouldern zieht man sich ohne Sicherung nach oben, bis zur Absprunghöhe, in der ein Fallen noch ungefährlich ist. Das kann man in der Natur machen oder auch an installierten Kletterwänden Indoor und Outdoor. Bei den Kletterwänden markieren farbig gesetzte Spots, die aussehen wie kleine Steine und die man greifen oder betreten kann, die Tour. Jede Farbe ein Schwierigkeitsgrad, jede Tour ein Puzzle, das es zu lösen gilt.

Die Kletterwand im Park in Mamer ist so ein Ort, wo man sich fast jedes Mal neue Touren aussuchen kann, denn die Steine werden immer wieder anders gesetzt. Hier, an dem Gebilde, das wie farbiges Beton-Origami
wirkt, schraubt gerade Alex Dermentzoglou an neuen Routen herum.

Herzliche Community

„Ich muss aufpassen, dass die Punkte nicht zu weit auseinanderliegen, damit auch kleinere Leute wie Annick gut hochkommen!“, sagt der 1,93 Meter große junge Mann mit dem blonden Dutt grinsend und begrüßt Annick mit herzlichem Handschlag. Annick ist nämlich auch noch Präsidentin des „Boulder Klub Lëtzebuerg“.Bouldern ist neben vielen anderen Sportarten wie Laufen, Mountainbike-Fahren, Yoga, Stand-up-Paddling eine weitere große Passion von ihr. 

Die Kletter- und Boulder-Community ist herzlich und  offen, man hilft sich gegenseitig, das zeichnet diese Sportart aus. Es braucht keine Gegnerschaft, um ihn auszuüben. Kein Mensch muss gegen den anderen  verlieren. Es ist ein kontemplativer Sport, der Konzentration erfordert.

Luxembourg Mamer Bouldering
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Aufgeben? Keine Option.

Das wiederum macht ihn so attraktiv für Annick, die im Job ständig mit den großen und größten Problemen der Welt konfrontiert ist. Beim Klettern kann sie abschalten. Ein Sport, wie gemacht für Menschen, die ans Limit gehen wollen. Die jeden Muskel im Körper spüren wollen, ohne jemanden besiegen zu müssen. Im Gegenteil: Man gibt sich Tipps, tauscht sich aus, auch über Landesgrenzen hinweg, etwa mit den Boulder-Leuten in Trier. In Esch im Süden des Landes soll bald eine große Boulder-Halle entstehen.

Und in Mamer gibt es sogar das einzige auf Klettern spezialisierte Geschäft in der Großregion. Alex arbeitet dort und kümmert sich als Mitglied des „Boulder Klub Mamer“  um die Kletterwände. Gerade hilft er einem kleinen Mädchen, den Weg nach oben zu finden. In Windeseile ist es oben, strahlt und lässt sich auf die dicke Matte fallen. Währenddessen hängt Annick konzentriert und fast waagerecht an einer Wand, jeder Muskel angespannt, jede Sehne zu sehen. Dann lässt sie sich fallen. Für dieses Mal hat es nicht gereicht, die schwere Route zu knacken. Aber Annick bleibt natürlich dran. Aufgeben? Keine Option.

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