Fëschmaart
© Pancake! Photographie

The Good Life Faces of Fëschmaart

4 Minuten

Ein Quartier nach Maß

Der Fischmarkt, auf Luxemburgisch: „Fëschmaart“. Hier wurde schon immer reger Handel betrieben. Früher mit Fisch und Gewürzen, heute mit Handgemachtem nach Maß. Aber der Fischmarkt ist  mehr. Er ist ein Dorf in der Stadt, gestaltet und belebt von Händlern und Gastronomen mit Herzblut. 

Sie hält hier seit über 40 Jahren die Stellung: Sylvie Thoma, ein Urgestein vom „Fëschmaart“. „Moien!“, ruft sie vorbeigehenden Passanten zu, während sie vor ihrem Souvenirgeschäft „Butteck Um  Fëschmaart“ einen kleinen Schlüsselanhänger geraderückt. Der kann als Leporello ausgeklappt werden und zeigt die schönsten Ansichten des „Grand-Duché de Luxembourg“. Wahrscheinlich ist das Design des Anhängers seit den 1980er-Jahren nicht groß verändert worden – und genau das macht den besonderen Charme von Sylvies Geschäft aus. Hier findet man, dicht an dicht aufgehängt, echte Klassiker, die an Reisen mit den Eltern und Großeltern erinnern.

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Das Dorf in der Stadt

„Ich habe so viele Stammkunden, denen ich Souvenirs aus Luxemburg sogar regelmäßig nach Hause schicke“, erzählt Sylvie. Für sie ist es Ehrensache, Andenken aus dem Großherzogtum zu verkaufen. Das war ihr schon mit Mitte 20 klar, als sie 1979 ihren Laden hier eröffnete. „Der Fischmarkt war immer wie ein Dorf in der Stadt, das ist das Besondere hier“, sagt sie. Man kenne sich, man rede viel miteinander. Und auch der Großherzog schaue ab und zu bei ihr vorbei. „Ein lieber Mensch, die ganze Familie ist großartig!“, schwärmt sie.

Der Fischmarkt ist ein Knotenpunkt, wo sich alle treffen, ob Politiker oder Händler, ob Reisender oder Einheimischer. Er ist unweit der in den Fels gehauenen Festungsanlagen, den Kasematten, gelegen. Ehemals Kreuzung zweier Römerstraßen, gehört der Fischmarkt zum historischen Zentrum der Altstadt, die Teil des UNESCO-Weltkulturerbes ist. Hier wurden auf dem Vorplatz der Grafenburg vor über 1000 Jahren die ersten Märkte abgehalten. In den engen Gassen spielte sich das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben ab. Heute finden sich hier das Nationalmuseum für Geschichte und Kunst, der Sitz des Staatsrates und die über tausend Jahre alte Kirche St. Michael.

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© LFT - Roman Schonfeld

Die alte Uhr von St. Michael

Bis 2011 hatten sich rund um die Kirche St. Michael die Franziskanerinnen um pflegebedürftige Menschen gekümmert und waren eng verbunden mit den Menschen vor Ort. Heute ist Sankt Michael als ältestes sakrales Bauwerk der Stadt ein Ruhepunkt im belebten Viertel. Es vereint romanische, gotische und barocke Architektur und zeugt damit von einer bewegten Stadt-Geschichte. Gleich im Eingangsbereich fällt Besuchern eine Vitrine ins Auge, die auf einem hölzernen Sockel ein beeindruckendes Uhrwerk präsentiert. Diese Uhr von 1902 tickte und schlug bis Mitte des 20. Jahrhunderts im Turm der Kirche. Das ehemalige  echnische Herz der Kirche St. Michael kann von Besuchern bestaunt werden. „Und das ist toll, denn es ist die einzige Kirchturm-Uhr in der Größenordnung, die man in Luxemburg so genau anschauen kann“, sagt Georges Jungblut. Der Uhrmachermeister hat im Fischmakt-Viertel zusammen mit seiner Frau Nadine ein Juweliergeschäft. Und er ist der Mann, der 2019 in über 400 Stunden Arbeit im Auftrag des Altstadt-Komitees diese Uhr erfolgreich restauriert hat.

Fëschmaart - St Michael Church
© Pancake! Photographie

Lebensgenuss und Handwerkskunst

In die Vergangenheit eintauchen kann man auch, wenn man Galerist Hans Fellner besucht. Die verwinkelten Räumlichkeiten, in denen er zeitgenössische Kunst aus Luxemburg präsentiert, gehen tief hinunter in die Eingeweide der Stadt. „Im Prinzip ist das hier der frühere geografische Mittelpunkt des historischen Fischmarktes“, erklärt der Galerist und Stadtsoziologe. Bei der Renovierung der Räume im weichen Sandstein war ihm wichtig, dass das Alte und das Neue sich die Waage halten. „Generell sind wir hier in unserem kleinen Viertel immer mit unserer Geschichte konfrontiert und setzen uns damit auseinander“, erklärt Fellner. Gleich nebenan hat Alex Reding zusammen mit Gattin Véronique Nosbaum seine Kunstgalerie. Der Kunstwissenschaftler und Bildhauer mag den historischen Standort, der zugleich so lebendig ist. „Es ist ein kulturell spannender Ort. Das Quartier ist zudem schön und belebt, es gibt gute Restaurants und Bistrots, wo man bis in die Nacht hinein ausgehen kann“, so der Kunstliebhaber, der auch in Brüssel eine Galerie betreibt.

Fëschmaart Artgallery
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Stilvoll Geschneidertes

Handwerks- und Handarbeitskunst par excellence finden Freunde klassischer Mode im „Chapette“. Der gebürtige Lette Povilas Zaleskis ist Schneider, Grafikdesigner und Hobbyfotograf. Und seit zehn Jahren zusammen mit seiner Frau, die für die EU arbeitet, Wahl-Luxemburger. „Ich liebe die Ruhe hier. Meine fünf Kinder können in einem international geprägten Land aufwachsen, lernen viele Sprachen. Das ist ideal“, schwärmt er. In den Shop kam er, weil ihm das Konzept gefallen und er Pascal Zimmer einfach angesprochen hat. Unkompliziert, nachbarschaftlich. Fast wie auf dem Dorf eben.

Schräg gegenüber lautet das Motto ebenfalls „schöne Stoffe auf Maß gebracht“. Beim Innenausstatter „Création d’Ambiances“ sorgen die beiden Chefinnen Paola von Habsburg-Lothringen und Marisca de Changy seit über 15 Jahren dafür, dass Kunden genau die passenden Gardinen, Lampen oder Bezüge für ihre Sitzmöbel bekommen. „Zu uns kommen Stammkunden aus dem In- und Ausland; wir verschicken auch viel“, erklärt Paola von Habsburg-Lothringen. Im oberen Stockwerk ist ein großes Atelier untergebracht, in dem einerseits geschneidert, andererseits gepolstert wird. „Das alles passiert hier, im Zentrum der Stadt“, sagt Paola nicht ohne Stolz. „In der ganzen Straße wird irgendwie alles auf Maß gemacht“, fügt die Einrichtungsexpertin lächelnd hinzu.

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Wie im Wohnzimmer

Das besondere Flair liebt und lebt auch Friseur Vito d’Attoma. Der in Luxemburg geborene Italiener, dessen Familie aus Perugia stammt, hat sein ganzes Berufsleben bisher hier im Fischmarkt-Viertel verbracht. „Das Quartier hier ist einfach besonders. Es repräsentiert das traditionelle Luxemburg, und die Kaufleute sind wie Familienmitglieder!“, sagt er überzeugt, während er den Kamm schwingt.
Das bestätigt Mustafa Solak schräg gegenüber im Vintage-Café „Kaale Kaffi“. Der gebürtige Türke und Kunstrestaurateur, der in Florenz studiert hat, serviert einen saftigen Orangen-Kuchen. Der Kunsthändler hat sich mit dem Café einen Traum erfüllt. „Mein Konzept: Vintage and more! Hier kommst Du auf andere Ideen, viele Leute arbeiten und lesen hier tagsüber, es ist ein bisschen wie ein Wohnzimmer“, sagt Mustafa. Ein Blick in den Raum bestätigt das. Und alle haben ein Lächeln auf den Lippen im Schein der altmodischen Lampen.

Sich gemütlich verwöhnen lassen und wohlfühlen, das ist auch das Motto im „Hôtel Parc Beaux-Arts“. Ein kleines, kuscheliges Hotel mit einem knappen Dutzend Suiten, auch hier: alles voller Kunst, und zwar hauptsächlich von Luxemburger Künstlern. Aus ursprünglich drei Stadthäusern, über 300 Jahre alt, wurde hier eins gemacht. „Alles komplett entkernt, das war viel Arbeit“, so Betreiber Marcel Goeres. Er ist ein „alter Hase“ im Hotelwesen in Luxemburg, voller Leidenschaft und Menschlichkeit, immer bedacht darauf, neue Konzepte zu entwickeln, um seine Liebe zu Land und Stadt mit jedem zu teilen. Mit dem „Hôtel Parc Beaux-Arts“ bietet er seit 2005 ein Refugium mitten in der Altstadt, und das im anregend-inspirierendem Ambiente eines Boutique-Hotels mit einem herzlichen, familiären Team. Seine „Wäinzoossiss“ isst Marcel Goeres hier vom traditionellen „Alt Luxemburg“-Teller; das bekannte weiß-blaue Geschirr von Villeroy & Boch wurde früher im Rollingergrund in der Hauptstadt gefertigt. Tradition ist Trumpf, meint Marcel Goeres: „Wir halten hier absolut auf Lokalkolorit!“

Fëschmaart Hairdresser
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Eine künstlerische Frischzellenkur

Frischen Wind und junges Blut: Das macht das Casino Display aus. Im ehemaligen Kunsthaus beim Engel, dessen Wurzeln bis ins Mittelalter zurückgehen, hat es sich niedergelassen. Hier präsentieren junge Künstler ihre Werke, von Malerei bis Video-Installation. Wie die „alten Luxemburger“ auf das „neue Kunsthaus“ reagieren? „Sie sind meist verblüfft, denn sie kennen es noch vor der Renovierung, mit alten Fliesen und ganz anders“, so die assoziierte Kuratorin Nadina Faljic. Aber dann überwiege die Freude darüber, was geboten werde: eine künstlerische Frischzellenkur für den Fischmarkt. Die einmal mehr beweist: Tradition und Moderne gehören hier zusammen.

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Casino Luxembourg - Forum d'art contemporain
© Eric Chenal

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