Cep d'Or Hëttermillen
© Andre Schoesser

Good Life Vom Acker zum Weinberg

3 minutes

Das Geheimnis der goldenen Rebe

Seit Jahrhunderten ist die Landschaft an der Mosel vom Weinanbau geprägt. Schon die Römer wussten das Terroir im Südosten Luxemburgs zu schätzen. Zu Besuch bei Cep d’Or, einem besonderen Familienbetrieb.

Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken! Soll Goethe gesagt haben. Was vermutlich gar nicht stimmt. Also die Zuschreibung. Dass das Leben zu kurz ist, stimmt natürlich – zumal für schlechten Wein! Was auch stimmt: Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein herzustellen! Und aus diesem Grund – dem Herstellen von gutem Wein – stehen wir nun hier im Matsch oberhalb von Stadtbredimus. Lehm klebt an unseren Schuhen. Ringsum etwas, das ich Acker nennen möchte und nicht Weinberg. Weinberg: Das klingt nach saftigen Trauben und Reben, die grün belaubt in Reihe stehen und Sonne tanken! Das klingt romantisch, nach Landvergnügen. Nach goldenem Saft in schönen Gläsern! Doch es verhält sich wie so oft: Die viele Arbeit, die dem Schönen, dem Edlen vorausgeht, sie bleibt im Verborgenen, ist mühsam und  viel weniger romantisch, als man es sich als Laie ausmalt.

Cep d'Or Hëttermillen
© André Schösser

Ein Projekt für Generationen

Zurück also in den Matsch-Acker und zu der Erzeugung guten Weins. Es ist Frühjahr 2021. Wir stehen gemeinsam mit Lisa Vesque und ihrem Vater Jean-Marie vor der großen, braunen, gewölbten Fläche, die  einmal ein neuer Weingarten werden wird, und schauen den Helfern dabei zu, wie sie – in Handarbeit – neue Rebstöcke setzen. Es wird ein paar Jahre dauern, bis man hier ernsthaft etwas ernten kann. Und bei dieser Erkenntnis wird es dann doch etwas emotional. Das hat etwas mit Zeit zu tun, mit der Langsamkeit, mit dem entfernten Horizont, mit dem man es hier zu tun hat. Mit Hingabe und dem Vertrauen in die Natur und ihre Wirkkräfte. Wer einen Weinberg bestellt, denkt nicht in Quartalsabschlüssen. Sondern in Jahrzehnten. Dieser Weinkindergarten, vor dem wir stehen, wird in 25 Jahren immer noch bewirtschaftet werden. Dann wird Lisa hier die Hauptverantwortung tragen, und Vater Jean-Marie wird vielleicht ab und an vorbeischauen und wohlwollend Tipps geben, die Lisa dann vielleicht ebenso wohlwollend überhören wird. Ein Projekt für Generationen, weswegen die beiden die neuen Stöcke auch gemeinsam in der Champagne beim Veredler ausgesucht haben.

Es ist Oktober geworden. Am frühen Morgen schwebt Nebel sacht über der Mosel. Die Weinberge leuchten grün. Hier und da mischen sich bunte Herbstfarben in die Hänge. Die Weinbeeren sind prall gefüllt und hängen in dicken Trauben zwischen den Blättern der Reben. Die Lese ist in vollem Gange. Erntemaschinen haben wir noch keine entdeckt. In den Steillagen an der Mosel wird vor allem von Hand gelesen – und zumeist auch gleich gesäubert. Immer wieder tuckern kleine Traktoren mit Anhängern vollbeladen mit Kisten voller Trauben über die Landstraße entlang der Mosel.

Cep d'Or Hëttermillen
© André Schösser

Aufgereiht wie an einer Perlenkette befinden sich viele der Weinkeller Luxemburgs entlang der „Route du vin“ (auf Luxemburgisch: „Wäistrooss“), die sich auf etwa 42 km durch das Großherzogtum schlängelt. Einer davon: die Domaine Cep d’Or (zu deutsch etwa: goldener Rebstock).

Ein Geschenk der Götter

Das Tor zum Keller steht weit offen. Wir treten ein. Es blubbert, es scheppert, es rattert, es quietscht und es quetscht. Wer sich hier die Hände nicht schmutzig machen will, hat den Beruf verfehlt! Wobei… was für ein falsches Wort: Schmutz. Immerhin ist das, was hier Flecken verursacht, feinster Traubensaft! Lisa steht freudestrahlend mit einem Eimer im Arm zwischen glänzenden Edelstahltanks und rührt Hefe an. Es ist die aufregendste Zeit des Jahres – für eine Winzerin. Es wird gelesen, gepresst, gelagert, gefiltert, umgefüllt, mit Hefe versetzt, gemessen, gekühlt, probiert… Lisa ist in ihrem Element. Sie ist ganz offensichtlich eine „Schafferin“. Wir kennen sie gar nicht anders als in Gummistiefeln. Gleichzeitig ist sie Künstlerin! Denn das, was aus den Trauben am Ende wird, ist Kunst. Eine geheime Wissenschaft, die im Verborgenen aus einfachem Obst großen Wein macht. Ein Mysterium. Wein – ein Geschenk der Götter.

Okay. Ganz so geheim ist diese Wissenschaft dann doch nicht. Sie wird sogar an Hochschulen gelehrt. Lisa hat in Geisenheim und Bordeaux Önologie studiert, bevor sie 2016 in den Betrieb des Vaters einstieg. Mit ihren 29 Jahren ist sie in etwa so alt, wie ihr Vater es war, als er die Domaine gründete. Zwar sei die Familie Vesque schon seit mindestens 1762 im Weinanbau tätig, erzählt Jean-Marie, aber früher wurden die Trauben nach der Lese verkauft. Sie selbst zu verarbeiten, das sei sein Traum gewesen, als junger Mann. Dass seine Tochter diesen Traum nun weiter träumt, macht ihn natürlich überglücklich.

Cep d'Or Hëttermillen
© André Schösser

Genuss, Kunst, Handwerk, Liebe

1995, mit 31 Jahren, gründet Jean-Marie einen Winzerbetrieb. Er kennt einen Architekten, nur zehn Jahre älter als er selbst, der seine Begeisterung für Beton und ausgefallene Formensprache teilt: François Valentiny. Sie entwerfen ein Gebäude, das ins Auge fällt. Gekrönt wird der Bau von einem Turm, der an eine überdimensionierte Weinpresse erinnert.

Das Bauwerk fällt auf: „Wer ein neues Weingut gründet, der muss natürlich auf sich aufmerksam machen!“ Jean-Marie grinst. „Uns gehörte dieses Grundstück an der Weinstraße, und jeder, der hier entlangfährt, kommt unweigerlich an unserem Keller vorbei. Wenn dieser dann so auffällig gestaltet ist, sind die Leute natürlich neugierig und schauen – wenn wir Glück haben – vorbei!“

Der Plan muss aufgegangen sein. Der Keller platzt aus allen Nähten. Holzfässer stapeln sich. Edelstahltanks ducken sich unter die Decke. Und der Crémant lagert vor sich hin. Der „Cuvée 36“ übrigens – wie es der Name vermuten lässt –, liegt für mindestens drei Jahre! Womit wir wieder bei den Zeitspannen sind, in denen Vater und Tochter denken.

Und so stellt sie sich dann am Ende doch ein: die Romantik, die wir im Frühjahr vermisst hatten. Hier, zwischen rubinrot gefleckten Holzfässern, schwarz glänzenden Weinflaschen und den Kisten voller schön gestalteter Etiketten, die auf die jungen Weine warten. Die Zutaten: Genuss, Kunst, Handwerk und viel Liebe.

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