Luxembourg Casemates Kinnekswiss Fort Lambert
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Transforming Experiences Die Kasematten der Stadt Luxemburg

5 Minuten

Verborgene Tunnel und sprechende Steine

Worum geht es?

  • Die Kasematten von Luxemburg-Stadt sind ein unterirdisches Labyrinth voller Geschichte und Geheimnisse.
  • Das Tunnelsystem durchzieht die gesamte Altstadt und reicht bis zum Kirchberg-Plateau.
  • Die tragische Geschichte der Nixe Melusina gehört ebenso zu den Kasematten wie politische Wirrungen der vergangenen Jahrhunderte.
  • Spezielle Führungen zeigen geheime Eingänge sowie unerwartete Geschichten aus vergangenen Zeiten.

Die Kasematten, das ist ein faszinierendes, kilometerlanges Tunnelsystem, das die gesamte Altstadt von Luxemburg- Stadt unterirdisch durchzieht und sogar bis aufs Kirchberg-Plateau reicht. In verschiedenen spannenden Führungen kann man sie erleben: Ob klassisch die Bock-und Petruss-Kasematten, die für Touristen mit relativ wenigen Einschränkungen offen sind, oder etwas geheimnisvoller die oft verborgenen Tunnel, die die Freunde der Festungsgeschichte bei speziellen Führungen zeigen.

Die wunderschöne Nixe Melusina ist die tragische Heldin in der Grün­dungssage rund um Luxemburg. Graf Siegfried verliebt sich unsterblich in sie, als er sie, zur Frau verwandelt, im Alzette-Tal sieht. Melusina, die sich auch in ihn verliebt und den Grafen in menschlicher Gestalt heiratet, ist sehr glücklich mit Siegfried, doch für das Eheglück hat sie eine Bedin­gung: Sie will einmal in der Woche alleine sein. Immer samstags schließt sie sich in ihrer Kemenate ein, und Siegfried darf nicht zu ihr. Denn dann verwandelt sie sich für diesen einen Tag zurück in eine Nixe, in ihr „altes Ich“.

Doch eines Tages hält der Graf es nicht mehr aus, so neugierig ist er. Er spitzt durchs Schlüsselloch ihres Zimmers, sieht die Verwandlung und den Fischschwanz, stößt einen Schrei aus – und zieht sich den Zorn seiner Ehefrau zu. Je nach Variante der Sage springt sie vom Bockfelsen in den Fluss, die Alzette, und wird nicht mehr gesehen, oder sie wird vom Felsen verschluckt.

Der Guide Jean kennt die Bock- und auch die Petruss- Kasematten in der Hauptstadt seit seiner Jugend. Er trägt seinen Hut nicht aus modischen Gründen. Wenn die Decke in den steinernen Tunneln niedrig wird, stößt der Hut zuerst an und warnt den jungen Mann, dass er den Kopf einziehen muss. Wie hier im Goldregen- Tunnel unter der Goldenen Frau.

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Schlange und goldener Schlüssel

„Und das hier ist der Brunnen, in dem Melusina heute noch leben soll. Er steht an der Stelle, an der sie vom Fel­sen verschluckt wurde. Hier webt sie an einem Leichentuch für die Stadt Luxemburg. Sie beschützt die Stadt, kann sie aber auch ins Verderben stürzen, wenn sie nicht erlöst wird.“, erzählt der junge Mann mit dem langen Haar, der Brille und dem Hut mit dramatischer Stimme. Er steht neben dem 47 Meter tiefen Brunnen mitten in den Bock-Kasematten. Die Kasematten, das unterirdische Vertei­digungssystem, das die ganze Altstadt untertunnelt und bis zum Kirchberg-Plateau reicht, sind ein geliebter Arbeitsplatz des jungen Stadtführers. Der ist gleichzeitig auch noch Schau­spieler und Buchautor. Und in seinem Buch „The Pleasure of Drowning“, das er auf Englisch verfasst hat – „ich lie­be alle Sprachen!“, sagt der gebürtige Luxemburger – steht unter anderem auch die von ihm poetisch abgewan­delte Geschichte der Melusina.

Der junge Guide heißt als Künstler Jean Bürlesk und mit richtigem Na­men Jean Beurlet. Er kennt die Bock- und auch die Petruss-Kasematten in der Hauptstadt buchstäblich wie seine Westentasche. Der studierte Historiker hat es schon als Schüler geliebt, Gäste durch die unterir­dischen Tunnelsysteme zu führen. Entsprechend hat er eine Ausbil­dung gemacht und ist offizieller Guide des LCTO (Luxembourg City Tourist Office).

Im Laufe seiner Zeit als Guide hat sich in den Kasematten einiges ver­ändert. Sowohl die Bock-, als auch die Petruss-Kasematten wurden renoviert, waren jeweils eine Zeit lang geschlossen. Und jetzt stehen sie dem großen Publikum wieder offen. Die Bock-Kasematten kann man eigenständig besuchen, in den Petruss-Kasematten muss ein Guide dabei sein.

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UNESCO-Welterbe

Alles über die Kasematten zu erzählen, was es zu wissen gibt, ist im Rahmen einer knapp 45-mi­nütigen Führung schier unmög­lich. Denn die gesamte politische Geschichte des Landes mit allen Irrungen und Wirrungen und Er­oberungen hängt damit zusammen; hat doch etwa der französische Festungsbaumeister Vauban nach seinem erfolgreichen Angriff und damit der Eroberung Luxemburgs 1684 alles rund um die Festung hochmodern perfektioniert und ausgebaut. Seine Spuren finden sich in den Bauten und im Ge­füge der Altstadt überall wieder. Altstadt und Festung gehören zum UNESCO-Welterbe. Und mehr als das: Die gesamte moderne Stadt ruht zu großen Teilen auf diesen alten Festungsmauern!

Der Raum im Eingangsbereich der Kasematten illustriert die Ausgra­bungen rund um das militärische Verteidigungssystem. Eine Orientie­rung gibt hier ein Modell der Altstadt. Es zeigt, wo sich die Besucher unterirdisch entlang bewegen. Durch Gänge, über Treppen, geht es in den Bock-Kasematten dann weiter, immer wieder vorbei an großen Fensteröffnungen, die vor der Schleifung der Festung im Jahr 1867 kleine Lücken waren und von außen schlecht sichtbar. Heute prägen die großen Fenster und Balkone das Bild der Stadt mit, man kann sie von beiden Seiten des Felsens aus sehen.

Die Tatsache, dass es ständig auf und ab geht, und die immer wieder überraschenden Ausblicke nach draußen zeigen die buchstäbliche Vielschichtigkeit der Kasematten. Sie prägen das Bild der Stadt entscheidend mit.

Luxemburg Grund Bock Kasematten Aussicht
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Die Spuren des französischen Festungsbaumeisters Vauban finden sich in den Bauten und im Gefüge der Altstadt überall wieder. Altstadt und Festung gehören zum UNESCO-Welterbe. Und mehr als das: Die gesamte moderne Stadt ruht zu großen Teilen auf diesen alten Festungsmauern!

Pulverdampf und Pferdefleisch

„Sie müssen sich mal vorstellen, wie feucht und kalt und stickig es hier drin war. Keine Hygiene, wenig Sauerstoff, Pulverdampf, wenn geschossen wurde. An einer feindli­chen Kugel ist hier keiner gestorben, aber vielleicht an Krankheiten“, lässt Guide Jean die Szenerien von früher lebendig werden. Theoretisch hatten hier in den Bock-Kasematten 1200 Soldaten und 50 Kanonen Platz. Und einmal haben hier wirklich Men­schen für eine längere Zeit gelebt.

„Der österreichische Kommandant Feldmarschall von Bender war über die Wintermonate 1794-95 im Alter von 82 Jahren mit seinen Truppen hier, um die Festung gegen die Franzosen zu verteidigen!“, erzählt Jean. Die Bewohner der Kasematten mussten teils die eigenen Pferde essen, als die Versorgungslage kri­tisch wurde. Zum Glück erlaubte die österreichische Regierung nach acht Monaten den Abzug.

Früher hat man sich in den Kase­matten wahrscheinlich sehr beengt gefühlt, doch das ist lange her. Die Schleifung der Festung führte dazu, dass die Fenster vergrößert wurden, sodass von hier aus auch nicht mehr geschossen werden kann, weder mit Kanonen, noch mit Gewehren. Immerhin wurden die Räume in den beiden Weltkriegen noch als Schutzbunker genutzt. In einem der Säle, dem Saal „Tun Deutsch“, hat sogar im 20. Jahrhundert eine Zeit­lang das Kasemattentheater gastiert, das heute seinen Sitz im Stadtteil Bonneweg hat.

„In den Petruss-Kasematten ist es früher eigentlich auch noch viel dunkler gewesen“, erinnert sich Jean, als er diese nach dem Gang durch die Bock-Kasematten und einem kleinen Spaziergang durch die Stadt betritt.

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Kasematten mit Licht und Sound

Seit der jüngsten Renovierung erfüllt ein faszinierendes neues Be­sucherkonzept die Gänge mit Licht und Sound. Elektrische Fackeln leuchten, Schrift glimmt an der Wand. In einem Raum beginnen sogar die Steine „zu sprechen“ und erzählen als angeleuchtete Silhouet­ten von Zeiten, in denen Champig­nons in den Kasematten gezüchtet und Bierfeste gefeiert wurden; auch Schaumwein wurde eine Zeitlang hier gelagert.

Doch es gibt auch einige verborge­ne Schätze, die man nicht bei den „klassischen“ Gängen durch die beiden bekannten Kasematten Bock und Petruss sehen kann. Diese zu zeigen, das haben sich die Freunde der Festungsgeschichte seit den 1990er-Jahren auf die Fahnen ge­schrieben. Sie organisieren Füh­rungen, wo man schon mal durch Eingänge in die Unterwelt steigt, die man sonst gar nicht wahr­genommen hätte. Etwa rund um die Villa Vauban, nah beim Turm des Fort Louvigny, oder unter der „Kinnekswiss“, die nach dem König Ludwig dem 14. benannt ist. Und zum Beispiel auch im Stadtpark beim Fort Lambert.

„Ich muss schauen, welcher hier passt!“, sagt Robert Wagner, Prä­sident des Vereins der „Frënn vun der Festungsgeschicht“, und zückt einen riesigen Schlüsselbund. Drei Schlüssel davon probiert er aus, dann macht es „klick“, und er kann das Metallgitter nach hinten schieben, das eine Treppe in die Dunkelheit freigibt.

Bock Kasematten
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Tor zu verborgenen Schätzen

Der große Mann mit den grauen Locken ist oft mit Gruppen unter­wegs und zeigt ihnen gerne die verborgenen Kasematten. Über das Fort Lambert und die militärischen Tunnel darunter sowie auch über andere Teile der Festung hat der gelernte Hochbau-Ingenieur, der lange für das nationale Geschichts­museum bei Ausgrabungen in Dalheim und an anderen Orten tätig war, bereits einige Bücher geschrieben.

Dann steigt er die Treppen hin­unter. Zwei Teelichter glimmen, noch übrig von einer Führung seiner Kollegen, die heute bereits hier waren. Ein „Klick“, und das elektrische Licht wird von Robert Wagner angeschaltet. Nun geht es durch Gänge, die eng und niedrig sind. „Hier hätte man dem Feind durch Sprengung den Weg abschneiden können“, erklärt er an einer Stelle. Überall in den Kase­matten wurde früher Schießpulver verwendet.

Und dann auf einmal ein Ausgang, und man steht zwischen den steiner­nen Überresten des Fort Lambert. Das Kunstwerk „Die Welle“, das von oben, vom Park aus, sichtbar den frisch-grünen Rasen rund um das Fort mit gleichmäßigen, steinernen Kreisen durchbricht, sieht man von hier unten, nach einem Weg durch die Gänge, buchstäblich aus einer neuen Perspektive. Wenn man dann auf dem Rasen zwischen den Mauern steht und nach oben schaut, sieht man auch die staunen­den Blicke der Passanten, die wohl nicht gedacht hätten, dass man hier herumlaufen kann.

Fort Lambert
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Unheimliches Gerumpel

Plötzlich ertönt lautes Gerumpel in den dunklen Gängen. „Keine Sorge, das kommt von den Autos, die im Parkhaus über die Rampe fahren!“, erklärt Robert Wagner beruhigend. Denn gleich nebenan, hinter den Mauern, sind die Parkplätze des Parkhauses Monterey. Ein Glück, es sind nicht die Mauern der Kasemat­ten, die in sich zusammenfallen. Der Fluch der Melusina hat sich heute noch nicht erfüllt: Noch steht die Stadt sicher auf ihren Grundfesten.

Aber vielleicht sollte man weiter gut Ausschau halten rund um den Brunnen in den Bock-Kasematten. Vielleicht steigt ja die wunderschöne Nixe Melusina bald wieder aus den Kasematten auf, um erlöst zu wer­den. Wer weiß, wer dann dabei ist?

Bock Kasematten
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Von den Kasematten aus führen viele weitere Wege durch das UNESCO-Erlebnis.

Wohin mit wem

  • „Rocks coming to Life“: Erkunden Sie die Petruss-Kasematten wie noch nie zuvor. Storytelling begleitet Besucher auf Schritt und Tritt.
  • Geheime Eingänge und unge­wöhnliche Führungen bieten die Freunde der Festungsgeschichtemit Voranmeldung für Gruppen. Wer ihnen folgt, erlebt noch einmal andere Kasematten. Ohne Orientierungsschilder, ohne Sto­rytelling, und man hat stets das Gefühl, dass es besser ist, einen Guide dabeizuhaben.
  • „Rock with a view“: Wer durch die Kasematten des Bock-Felsens spaziert, hat immer wieder tolle Aussichten über die Stadt und kann das Zusammenspiel aus Alt und Neu genießen.
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© Alfonso Salgueiro
Altstadt und Festung Luxemburg
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Bock-Kasematten
Bock-Kasematten: Unterirdisches Weltkulturerbe
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Der Ursprung der Petruss-Kasematten geht auf die Zeit zurück, als die Spanier die mittelalterlichen Festungswerke modernisierten und große Bastionen wie die des Beck errichteten, auf deren Plattform sich die heutige Place de la Constitution befindet.
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